Paulo-Freire-Zentrum, GBW Wien
Aus Erfahrung klug werden.
Repräsentation ist eine umstrittene Angelegenheit. In öffentlichen Debatten werden nur bestimmte Stimmen gehört und wahrgenommen. Die Stimmen von kreativen Abweichlern, Marginalisierten oder Gruppen, die das "System" zu sehr in Frage stellen, finden nur in alternativen Öffentlichkeiten Gehör. Damit aus Abweichlern und EinzelkämpferInnen politische Bewegungen werden, braucht es gelungene Formen der Selbstorganisation.
In unserer Stadt gibt es nun seit mehreren Jahrzehnten Erfahrungen mit emanzipatorischen sozialen Prozessen und Versuchen der alternativen Repräsentation, sodass mittlerweile viele Erfahrungen gemacht wurden, gute wie weniger gute, aus deren systematische Reflexion viel zu lernen ist.
Dies steht dem derzeit dominanten Ansatz entgegen, Effizienz, Zielgruppenorientierung oder Multiplizierbarkeit als zentrale Leitlinien der sozialen wie auch politischen Arbeit zu verstehen. Erfahrung hingegen zählt nicht zu den Quellen dieser Arbeit. Im Gegensatz dazu steht ein Zugang aus Lateinamerika, der an diesem Abend präsentiert und diskutiert werden soll, im Sinne eines Prozesses des "von Süden Lernens":
Systematisierung von Erfahrungen ist ein grundlegender Bestandteil eines kollektiven Lern- und Reflexionsprozesses in der lateinamerikanischen Tradition der Educación Popular. Alle Beteiligten sollen dabei gemeinsam zu ErforscherInnen der Welt, in der sie leben, und vor allem ihrer eigenen Praktiken werden. Es gilt, das Spannungsfeld von Anpassung und Veränderung auszuloten und dabei den Blick nach vorne zu richten:
"Es ist möglich etwas zu verändern, und wir sind fähig zu verändern."
(Oscar Jara)
Einer der wesentlichen "Erfinder" und Promotoren dieser Methode, Oscar Jara (Costa Rica), betrachtet das gemeinsame und gleichberechtigte Erforschen der eigenen Lebenswirklichkeit als Grundvoraussetzung dafür, dass die Betroffenen ihre Praktiken und die Welt, in die sie eingebettet sind, verändern können. Jara betont, dass diese Arbeitstechniken nicht als Zusammenstellungen von Methoden zu sehen seien, die über Beforschte möglichst viele zuverlässige Daten generieren, anhand derer daraufhin Wissen zur angemessenen "Regierung" über Menschen entwickelt werden könne. Vielmehr sollen der Raum und die Arbeitstechniken der Systematisierung einen Rahmen bieten, um diese eigenen Erfahrungen kollektiv zu reflektieren und zu neuen Formen des Handelns zu finden.
Programm
- Elisabeth Schmid und Petra Herout: Die Systematisierung von Erfahrungen. Eine partizipative Methode des Wissensmanagements. Präsentation des gleichnamigen Buches von Elisabeth Schmid et al.
- Kommentare aus dem Publikum & Diskussion
- Einladung zur Beteiligung an einem Prozess der Systematisierung von Erfahrungen - informelle Kommunikation mit Getränken & Knabbereien
Referentinnen
Elisabeth Schmid ist selbständige Promotorin des Projektes "Systematisierung von Erfahrungen". Sie hat diese Methode im Rahmen ihrer Tätigkeit für Horizont3000 in Ecuador kennengelernt und dazu gemeinsam mit KollegInnen das Buch unter dem Titel "Systematisierung von Erfahrungen. Eine partizipative Methode des Wissensmanagements" erarbeitet.
Petra Herout ist seit neun Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und greift auf Projekterfahrung in Ecuador, Nicaragua, Südafrika und Senegal zurück. Sie koordiniert bei Horizont3000 das Wissensmanagement-Programm KNOW-HOW3000 und berät andere Non-Profit-Organisationen im Wissensmanagement. Sie hat selbst einen Systematisierungs-Prozess bei Horizont3000 begleitet und es ist ihr ein Anliegen, partizipatives, organisationales Lernen in den Organisationen zu verankern.
Näheres zum Hintergrund:
"Niemand kann die Erfahrungen anderer systematisieren." (Oscar Jara)
Ob in einer Landwirtschaftskooperative, im Stadtteil-Komitee oder in der Schule, zuallererst geht es bei der Systematisierung darum, gemeinsam ein Problem zu definieren und alle Erfahrungen, die die Beteiligten in Bezug auf dieses Problem haben, zu sammeln, erklärt Jara. In einem zweiten Schritt wird kollektiv versucht, diese Erfahrungen sinnvoll zu ordnen, um eine angemessene Interpretation möglich zu machen. Dabei ist es wichtig, die jeweiligen Kontexte zu berücksichtigen, in welche die Erfahrungen eingebettet sind. Der dritte Schritt beinhaltet die gemeinsame Diskussion, um Lösungen und Maßnahmen in Bezug auf das eingangs definierte Problem zu finden.
In der Praxis der Educación Popular wurden für alle Schritte unzählige sehr niederschwellige Arbeitstechniken entwickelt, die es sogar Personen, die weder schreiben noch lesen können, ermöglichen, zur Lösung eines komplexen Problems beizutragen. Zentral in diesem Prozess sei, betont Jara, dass die Interpretation der Erfahrungen und die Suche nach Lösungen nur kollektiv mit allen Beteiligten geschehen könne. Dies schafft eine kreative Atmosphäre, in der völlig neue Ideen und Fragestellungen aufkommen können und vor allem die Bereitschaft und das Verlangen zur Teilhabe und der Gestaltung des Gemeinwesens provoziert werden.
Weitere Hintergrundinformationen: http://www.pfz.at/article562.htm sowie http://www.pfz.at/article1452.htm
Kostenlose Teilnahme | Bitte um Anmeldung unter: www.pfz.at/article1745.htm
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